Indien, ja, wir haben hier wirklich einiges erlebt.

Der 12. Dezember fing schon außergewöhnlich früh an. Um 5:15 Uhr wurden wir durch heftiges Klopfen am Kumpel geweckt. Vor uns standen sechs Männer vom Militär. Mit Händen und Füßen und mit Hilfe unserer Weltkarte auf “Kumpels” Motorhaube erklärten wir den Männern, dass wir auf Tour waren und das Gelände nur als Schlafplatz genutzt hatten. Wir befanden uns in einem militärischen Sicherheitsgebiet, was wir aber gestern Abend nicht bemerkt hatten. Wir bekamen ein “ok” und machten uns dann aber doch lieber auf den Weg.

Vorher wünschte uns unser Adventskalender noch „Freude“ und „Humor“. Ob das dieser Tag bringen würde? Irgendetwas war anders als sonst. Jeden dritten bis vierten Kilometer sahen wir Militärkontrollen. Der Highway war fast ausgestorben, die LKWs parkten links und rechts und die Tankstellen waren geschlossen. Was war hier los?
Nach einer Weile sahen wir dann eine Straßensperre mit brennenden Reifen.
Wir rollten langsam drauf zu, machten den Umstehenden klar, dass wir aus Germany kommen und durften passieren. Allerdings zeigte unsere Tanknadel “Reserve”, nicht der beste Zeitpunkt. 

An der nächsten Straßensperre, die wir auch passieren durften, fragten wir nach einer Tankmöglichkeit. Wir wurden in ein kleines, etwas abseits gelegenes Dorf geschickt. Ein Polizist half uns mitten auf dem Highway zu wenden und als Geisterfahrer in die angegebene Richtung zu fahren. Zum Glück nur kurz. 

An der eigentlich geschlossenen Tankstelle angekommen, hieß es zunächst “no Diesel”. Nach einigen Gesprächen und Telefonaten wurde die Kette zur Zufahrt heruntergelassen und “Kumpel” wurde voll betankt. Das ganze führte im Dorf zu einem Menschenauflauf, dem wir wie immer mit Freundlichkeit begegneten. Selfies und Fotos wurden gemacht und soweit es uns möglich war, beantworteten wir alle Fragen, die uns zahlreich gestellt wurden. Wir erhielten drei Einladungen zum Frühstück, aber wir wollten weiter. Wir haben dann noch einen Helfer mitgenommen, der auch Richtung Guwahati wollte. Mittlerweile hatten wir herausgefunden, dass in Indien ein Generalstreik das komplette Land lahm legte. Es gab eine politische Entscheidung, die zum Streik führte. Was genau wussten wir nicht.

Die Abstände der Straßensperrungen wurden immer kürzer. Leider wurden die Streikenden teilweise aggressiver. Einige konnte unser Mitfahrer, der uns eine große Hilfe war, beschwichtigen: “Foreigners from Germany.“
Wir entschlossen uns, nicht direkt nach Guwahati zu fahren. Dort war es am Vorabend zu schweren Zusammenstößen gekommen. Das Internet war abgeschaltet worden und wir wussten nicht viel über die aktuelle Lage dort. Also suchten wir einen Stellplatz.
Neben einer Polizei-Ausbildungskaserne war ein großer Sportkomplex. Dort durften wir leider nicht stehenbleiben. Wir haben dann sieben Polizistinnen befragt, ob wir bei der Kaserne stehen dürften. Etwas zögerlich, aber nach Besichtigung von “Kumpel”, bekamen wir die Genehmigung für die Nacht. Später durften wir sogar noch auf das Kasernengelände fahren und verbrachten dort die Nacht.

Erschwerte Weiterfahrt und Stellplatzsuche

Am nächsten Morgen fuhren wir weiter, auf den HYW 27 durch Guwahati. Wir sahen immer mehr Reste der Blockaden vom Vortag. Zum Teil brannte es noch. Laternenmasten, Eisenstangen, große Steinen und weiteres Zeug waren auf dem Highway verteilt.
So ganz Wohl war uns nicht, zumal auch immer mehr Menschen rechts und links der Straße standen. Unsere Fahrt glich einem Slalomparcours. Als wir dann die Abbiegung nach Shillong erreichten, wurden die “Vortagsreste” weniger, aber überall standen LKWs.
Es wurde ländlicher, aber auch hier war alles geschlossen. Erst hinter Shillong normalisierte sich die Lage und wir machten Frühstückspause. Erleichterung bei uns beiden.

Weiter ging es von Jowai Richtung Bangladesch durch die Berge. Vor der Grenze drehten wir dann ab nach Silchar. Hier herrschte totales Chaos. Ein Truck war quer liegengeblieben und das an der größten Kreuzung im Zentrum. Vermutlich haben wir hier die falsche Richtung eingeschlagen. Da uns aufgrund des fehlendes Netzes Google Maps nicht zur Verfügung stand, sind wir rund 40 Kilometer vom Weg abgekommen.

Weil es bereits dunkel wurde, war wieder die Suche nach einem Stellplatz angesagt. Nach mehreren Absagen bekamen wir einen Tipp. An einer Petrol-Station sollte man stehen können. Also nichts wie hin. Nach einiger Überzeugungsarbeit beim Chef dürften wir hier die Nacht, etwas verdeckt hinter einem Truck, verbringen. Aufgrund der Explosionsgefahr durften wir nicht kochen, dafür wurden wir mit einem schönen Sonnenuntergang in die Nacht verabschiedet.

Mit 20 km/h durch die Berge

Wir starteten früh am nächsten Tag zurück Richtung Silchar. Tagesziel sollte Imphal sein, so unser Plan. Da wir wie die letzten zwei Tage ohne Netz waren, fuhren wir nach der Beschilderung und fragen auch zur Sicherheit bei den Indern auf der Straße nach. In Cachar-Jirighat wurden wir zunächst zur Passkontrolle gestoppt. 500 Meter weiter erreichten wir den Grenzfluss zwischen Assam und Manipur. Den Hinweis, das “Foreigner” sich hier zu Registrieren haben, übersahen wir.
Wir wurden gestoppt und mussten wieder hinter den Schlagbaum zurück. Fast eine Stunde brauchten wir für die Formalitäten. Alle waren freundlich und nett zu uns und wünschten uns gute Weiterfahrt. Ob die schon wussten was uns erwartete?

Zu unserer Überraschung, hatten wir in Manipur wieder volles WLAN zur Verfügung.
Nach dem Frühstück und rund zwei Kilometern Fahrt sahen wir eine lange Schlange von geschätzt 100 Trucks. Wir fuhren an allen vorbei, bis wir vor einem Schlagbaum gestoppt wurden. Der Grenzbeamte konnte mit unseren Reisepässen nichts anfangen. Ohne Englisch und sehr sprachfaul, machte er uns klar, dass es derzeit nicht weiter geht.
Wir erfuhren, dass in Manipur gestreikt wurde. Viele waren mit der geplanten Landenteignung ohne Ersatzleistungen nicht einverstanden. Nach einer Stunde ging es dann weiter. Juhu! Die aufgestaute Karawane setzte sich langsam in Bewegung. Für uns ging es in die Berge, das war ein auf und ab den restlichen Tag. Die oft serpentinenartigen Straßen war in einem unglaublich schlechten Zustand. 

Am späten Nachmittag, nach neun Stunden Fahrt, waren wir froh, eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht zu haben. In einigen Straßenabschnitten gibt es Löcher, die einen Achsbruch bei unvorsichtiger Fahrweise, unweigerlich mit sich bringen. Es war der Wahnsinn. Es gab viele Brücken die nur mit Holzbalken belegt waren und nur von einem Fahrzeug befahren werden durften. Die Straße wurde als “National” Straße bezeichnet und es gibt keine akzeptable Alternative. 

Wir haben in den Bergen mehrere Truckkolonnen gesehen, die am Straßenrand standen. Die Fahrer haben sich mit Wäsche waschen, putzen, kochen oder Karten spielen die Zeit vertrieben. Zum Ende unserer Fahrt an diesem Tag fanden wir in einem kleinen Dorf eine 2-Säulen Tankstelle (FOTOS Kinder) und wir konnten Diesel bunkern. Auf der ganzen Strecke war dies die einzige Tankmöglichkeit.
Unser gesetztes Tagesziel lag außer Reichweite für heute und so suchten wir uns einen Stellplatz für die Nacht. Mitten in den Bergen genossen wir dann die Aussicht und wuschen den Schweiß des Tages unter der “Kumpel”-Dusche ab. Wir bekamen noch Besuch von der Dorfjugend des angrenzenden Dorfes und hatten eine ruhige Nacht.

Tagesbericht vom 15.12.2019

Bei unserer Fahrt am nächsten Tag fiel uns auf, dass in fast allen Dörfern Weihnachtssterne mit Beleuchtung hingen. Es lag kaum Müll herum und wir sahen viele kleine Kirchen.
Wir mussten neun Registrierungskontrollen durchfahren. Es war der Wahnsinn. In der letzten Stunde in den Bergen kamen uns mehrfach Polizei- und Militärkolonnen entgegen. Warum wussten wir nicht. Wir waren glücklich, als wir die Berge nach gut fünf Stunden und 100 gefahrener Kilometer verlassen konnten. Und zudem heilfroh, dass das Rauf und Runter auf den Straßen ein Ende hatte.

In der nähe des Flughafens patroullierten viele, viele Soldaten an der Straße. Wir fuhren weiter zum Laktak Lake (FOTOS!). Wir hatten den Tipp bekommen, dort unbedingt anzuhalten. Also begutachteten wir den größten Süßwassersee im Nordosten Indiens. Er ist berühmt für die über ihm schwimmenden Phumdis. Die Phumdis bedecken einen wesentlichen Teil des Seegebiets und sind heterogene Massen von Vegetation, Boden und organischer Substanz, die sich in verschiedenen Stadien des Verfalls befinden. 

Wir entschieden uns dann noch weiter Richtung der Grenze Myanmars zu fahren. Auf dem Weg zum See hatten wir noch vollgetankt. An einer der ganz wenigen Tankstellen, die geöffnet waren. Wir konnten direkt an die Dieselzapfsäule fahren, beim Benzin dagegen standen lange Schlangen von PKWs. Wir erfuhren, dass das Benzin so knapp war, weil es aus dem Assam-Gebiet geliefert wurde und seit drei Tagen keine Tankfahrzeuge durchgekommen waren. Wir waren glücklich in einem vollgetankten “Kumpel” 

Am Nachmittag überholte uns ein kleiner Bus, dessen Fahrer uns wilde Zeichen gab. Wir stoppten und schauten nach was los war. Eine schöne Bescherung, die Halter der großen Alu-Box mit unserer „Waschmaschine“ darunter, war gebrochen. Was tun? Also erstmal haben wir die Alu-Box entleert. Die Stühle und alles andere musste raus. Dann haben wir die Waschmaschine abgenommen und den Schaden begutachtet. Eine Haltestange war gebrochen. In der Werkzeugkiste hatten wir noch zwei Spanngurte. Diese nutzen wir jetzt, um alles zu fixieren. Das müssen wir wohl bald reparieren lassen. Wir sind mal gespannt, wo und wann das klappt.

Wir fuhren weiter, bis wir den Highway 102 erreicht hatten. Am Randes des Highways, der Indo-Myanmar Road, sahen wir zufällig einen größeren Bauplatz. Dieser war planiert und wir beschlossen dort zu nächtigen.

Geburtstag und Abschied aus Indien

Am 16. Dezember waren wir bereits sehr früh auf. Es war Carstens 59. Geburtstag und es gab einen kleinen Geburtstagstisch und Glückwünsche. Dann ging es durch die letzten indischen Berge Richtung Grenze.
Wir hatten unsere Aus- und Einreisepapiere bereits am Vorabend vorbereitet. Bis zur Grenze passierten wir wieder drei Checkpoints. Wir kamen an GABIS-Café vorbei. Diesen Punkt hatten wir gestern eigentlich erreichen wollen, es war aber schon zu dunkel gewesen, um weiterzufahren. Kurz hinter dem Café standen viele Fahrzeuge. Ein Berghang war abgerutscht und eine Planierraupe war bereits dabei, die Straße wieder freizumachen. Als wir dann die Stelle passierten, rutschten wieder Steine auf die Straße. Nichts wie weg hier.

Gegen 8:45 Uhr erreichten wir dann den Grenzort Moreh und fuhren zum Exit-Gebäude. Nachdem wir um einen Ausgangsstempel im Reisepass reicher waren und das Carnet für “Kumpel” gecheckt war, verließen wir um 9:30 Uhr Indien über die Grenzbrücke nach Myanmar.

Jetzt wurde es spannend, dachten wir. Diverse Quellen besagten immer, dass man mit einem Camper und als Selbstfahrer ohne Guide schwer nach Myanmar gelassen wird. Was hatten wir hierzu nicht alles gelesen und gehört. Es kam anders! Wir wurden sehr freundlich an dem kleinen Grenzübergang auf der Myanmarseite begrüßt. Wir mussten ein Formular ausfüllen und unsere Reisepässe und das E-VISA übergeben. In der Zeit, in der unsere Unterlagen geprüft wurden, lernten wir das erste Wort auf Burmesisch „ming-guh-la-ba“, Hallo. Es folgte das Zweite: „jày-zú ding-ba-de“, Danke. Dann wurde von jedem von uns ein Foto gemacht. Für das Innenleben von “Kumpel” hat sich keiner interessiert und so hieß es um 10:00 Uhr „Welcome to Myanmar“!
Hätte es hier jetzt noch eine Tee gegeben, wäre diesem Übertritt Platz 1. auf unserer Grenzüberschreitungs-Rangliste sicher gewesen. So “nur” Rang 2 bis jetzt.

Wir freuen uns schon, aus Myanmar und allen anderen Ländern zu berichten, die noch auf unserer Route liegen. Aber erstmal:

Euch alle frohe Weihnachtsfeiertage und besinnliche Stunden mit Euren Lieben!

Euer Carsten und Euer Manni

2 Comments

  1. Hello Carsten and Manni
    We are a mother and son, living in Hamburg. I am Australian, my sons father is German. We have read through your latest blogs and enjoy the chance to share your monumental journey with you. My son is 12 and says he hopes one day to be able to do such a trip !! We send you our love and support and look forward to read your next adventures and join you on your arrival in Australia ! Viel viel glück und spass!

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